Weblog-Statement, Buchmesse, morgen.

Da ich morgen auf der Buchmesse (http://typo.twoday.net/stories/1068324/) bei einem Weblog-Forum ein 10-Minuten Statement abzugeben habe, kann ich es genauso gut hier vorher posten - bzw. formulieren.



Der Titel der Veranstaltung heißt:



"Weblogging - Neue Informationskultur oder Infomüll im Cyperspace?"



Der Begleittext:

"Sind Weblogger eine nützliche Bereicherung der Informationskultur oder Produzenten von selbstverliebtem Datenmüll? Selbst seriöse Zeitungen setzen auf die Wirkung der meinungsfreudigen Blogs, um Leser schnell und unkompliziert zu erreichen. Doch wie steht es um journalistische Qualität, wo bleibt die Recherche?"



Also, Statement:

In der Ankündugung dieser Veranstaltung wird ein interessantes Spannungsfeld eröffnet.

Es wird einerseits angedeutet, dass viele Weblogs Einzelnen dazu dienen, ihr ganz persönliches Lebensumfeld öffentlich im Netz auszubreiten und zu diskutieren.

Andererseits werden Weblogs in Verbindung mit klassischen Medien - wie der Presse - gebracht und ähnliche Qualitätsstandards angemahnt.



Beide Thesen beruhen auf Irrtümern.



Auf den Irrtümern nämlich, dass das Weblog entweder ein Tagebuch sei, das eben privat ist und zu bleiben hat, oder ein 'klassisches' Massenmedium sei wie Zeitung, Radio oder Fernsehen.



Das Internet insgesamt mag zwar ein bisschen aussehen wie eine riesige elektronische Zeitung, oder eine Art globales TextBildTon-TV, aber es ist im Wesentlichen eine Möglichkeit, einzelne Menschen miteinander in Kontakt zu bringen und ihnen Gruppenbildung zu ermöglichen.



Sei es über E-Mail, Foren, Chats oder eben Weblogs.



Deswegen ist die übliche Textsorte in Weblogs auch nicht die 'gefilterte', massenmediengerechte 'Nachricht' oder der dem Proporz entsprechend ausgewogene Kommentar sondern die persönliche Stimme des Schreibenden mit ihrer Weltsicht und ohne Anspruch auf die allgemeine Relevanz, die die Massenmedien aufgrund ihrer 'one to many'-Sendestruktur anstreben müssen.



Äußerungen wie Weblogs sind menschlichen Gesprächen weit ähnlicher als den Medien, mit denen sie gelegentlich verglicehn werden. Weblogartikel sind Gesprächsangebote und das Gespräch wird in den Kommentaren oder über Weblogs hinweg geführt.



Wenn also in einem Weblogartikel etwas steht, das ein Lesender nicht für korrekt hält, dann kann e im direkten Umfeld dieses Textes darauf regaieren. Diese Leserreaktion wird dann nicht am Folgetag in der Leserbriefspalte veröffentlicht sondern steht Minuten nach der Originaläußerung online zur Verfügung.



Weblogs müssen also nicht wie Medien von Presse- und Rundfunkräten kontrolliert werden; sie haben ihre Korrekturmechanismen bereits eingebaut.



Und weil Weblogs Gespräche sind, müssen und können sie auch nicht die Relevanz haben, wie wir sie von anderen massenmedialen Produkten gewöhnt sind. Sie sind für die interessant, die sie lesen. Das ist vollkommen ausreichend. Der Müll des einen ist das Hobby des anderen. Und ein Blog, das gar niemand liest, wird eventuell auch einschlafen und sich so selbst entsorgen.



Ein Beispiel dafür, wie Blogs funktionieren:



Mit einer täglich wachsenden Gruppe von Mitschreibern wurde am 10. Oktober ein Weblog zur Buchmesse eröffnet.



Nach viereinhalb Tagen hatte das Weblog einen Platz 9 auf der ersten Seite bei Google erobert, wenn man den Suchbegriff 'Buchmesse' eingab.



Das Projekt unter der Adresse blog.literaturwelt.de existiert heute seit achteinhalb Tagen und hat in dieser Zeit etwa eine Besucherzahl von rund 2400 Leuten - und einige davon greifen rege in die Diskussion ein und wiederum einige von diesen werden zu Mitarbeitenden.



Redaktionelle eingriffe sind nahezu unnötig. Wenn einer der Mitarbeitenden Unsinn schreibt oder sich in einer Zahl irrt: dann kommen die Leser und korrigieren. Eventuell wird der Artikel verändert und steht verbessert online.



Das ist die neue Qualität des Mediums Weblog - und nicht seine Vergleichbarkeit mit einschaltquotenhungrigem Sensations- oder Proporz-TV oder der dahinsiechenden Zeitungs- und Magazinbranche.



Dankeschön.


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