Social Media, Social Networking und Social Web: Annäherung an eine Definition

Nach 'einteilung social media' hat gerade jemand gegoogelt und ist hier gelandet.
Ein willkommener Anlass mal aufzudröseln, wie ich das unterteilen würde.
(Ich spare mir mal den Blick zur Wikipedia, da ist das sicher schön aufgeschlüsselt, aber ich habe ohnehin ein Problem mit der allseitigen Verwendung der Begrifflichkeiten.)

Zuerst die veralteten Begriffe oder die, die nichts Rechtes bedeuten.

Social Software nannte man es anfangs und die Grobdefinition 'Software, die drei Personen anders behandelt als zwei' ist schön abstrakt und gilt für eine ganze Reihe Software, die auf Desktops in Netzen oder eben im Internet herumschwirrt. Nach dieser Definition fallen auch Mailinglisten oder Foren fast schon darunter, was nicht ganz unerwünscht ist.

Web 2.0 ist ein Begriff, den Tim O'Reilly nur ungenügend definiert hat - wie ich an anderer Stelle belegt habe, ist es GAR kein Begriff, der irgend etwas Bestimmtes bezeichnen würde, zumindest nicht so, wie er eingeführt wurde. O'Reilly hat ihn eher durch eine Art Tag-Wolke beschrieben und mehr als 'irgendwie was Neues im Netz' schien es nicht zu bedeuten. David Weinberger verengte dann den Begriff (Z.B. in seinem Aufsatz in "Die Kunst loszulassen") auf die schöne Kombination aus User Generated Content und Intreroperabilität von Applikationen (durch RSS, APIs etc.). Diese Definition hat den Vorteil, dass man etwas auf den Seziertisch legen kann und eine Checkliste aufmachen kann: Gibt es UGC? Check! Gibt es Interoperabilität mit dem Rest des Netzes (jenseits von Links ;) ). Check! Also isses Web 2.0. Wenn jemand von mir in Zukunft Web 2.0 erklärt haben will, werde ich genau diese Definition verwenden, sie ist transparent und einfach zu checken.
->Social Media: Ich werde jetzt erstmal satirisch, bevor ich ernst werde. SM=Web 2.0 - das ist eine Variante, sobald man nicht mehr w20 sagen will, sagt man halt SM. Das ist etwa, wie früher, da sagte man 'Cyberspace' wenn man nicht nochmal 'Internet' sagen wollte. Beides hilft und half und traf und trifft nicht. SM zudem kommt in 'Social Media Marketing' vor, das ist (immer noch satirisch gesprochen bitte), da wo jetzt die MLMer und Spammer (aber ich wiederhole mich) hingehen, um die Kanäle vollzumüllen. "Reich mit Facebook, Twitter und Mailverteiler, kaufen sie mein E-Book!!!" So etwa. (In dem Buch wird dann erklärt, wie man eBücher über das Reichwerden mit SMM im Web verkauft.)
Jetzt im Ernst:
Für mich fängt Social Media da an, wo die oben erwähnten Kombinationsprodukte aus UGC+Interoperabilität sich anschicken, die Rolle von 'klassischen' Medien oder Medienvermittlungsorten zu spielen, als da wären: Zeitung, Radio, Fernsehen, Kino, Buch, Magazin, Bibliothek. Also: Weblogs, Podcasts, Videocasts, Wikis. Solche Dinge. Hier besteht der UGC teilweise in der Erstellung der Inhalte (Content) oder in der Weiterverbreitung der Inhalte, im Rating oder der minimalen Anreicherung durch Kommentierung. Ich habe da gestern oder heute den Begriff 'Chat' dafür gesehen. Oder nennen wir es 'Sharing + Microcontent'. Aber die Aspekte von Chat+Content gefallen mir ganz gut. Heißt: Inhalte + Verbreitung/Filterung. Insofern fallen auch Portale wie Digg/Yigg etc. darunter. Und im Prinzip auch Plattformen wie delicious/Mister Wong.

Social Networking: Aktuell ist es modisch, Facebook und Weblogs, XING und delicious in einen Topf zu werfen, vor allem weil innerhalb der 'Social Apps', wie man sie auch mal nannte, diverse Applikationen laufen, die 'soziomedialen' Charakter haben. Ich denke aber, man sollte vom jeweiligen Hauptzweck ausgehen: Social Networking Sites wären also Orte, an denen man sein Netzwerk aus Beziehungen pflegt. Der 'Rest': das Social Gaming, Social Sharing (ich 'share' nicht ungezielt sondern eben mit MEINEM Social Graph), filtern von News (z.B. in der Newsapp in XING) sind kommunikatives Beiwerk (wenn ich eine Beziehung pflegen will, dann kann ich das nur durch Kommunikation (und: Nicht-Nicht-Kommunikation, ha!). Sicher gibt es Leute, die nur bei FB sind, weil sie dort Farmville spielen wollen, für die ist aber FB keine Social App und sie pflegen dort nur "Austauschbeziehungen in einem Spieleuniversum" und nicht ihre 'normalen' Beziehungen. Auch der mediale/Sharing-Aspekt ist in diesen Netzwerken marginal, auch WENN sie massive Traffictrieber für die von dort verlinketen Newsquellen sind. (Dann wäre eine Straße mit Zeitungskiosk auch ein 'Medium', weil es die Käufer zum Blatt bringt. Ihr Hauptzweck aber ist ein anderer.)

Social Web: Das ist der Begriff, den ich beschlossen habe zu benutzen, wenn ich übergreifend von Social Software/Apps/Media/Networking rede. Ich würde ihn definieren, wie Weinberger Web 2.0 'umdefiniert' hat: als Kombination aus User Generated Content (bestehend aus (initialem) Content und 'Chat = Sharing/Rating/Retweets/Commenting') und 'Interoperabilität',a lso der Eigenschaft dieses Contents auf anderen Plattformern 'copräsent' zu sein (also: Wenn ich ein Youtube-Video favorisiere., dass es dann in meinem Twitterstream auftaucht, oder dass ich es als Widget in mein Blog einbinden kann oder einen RSSfeed meiner favorisierten Videos anderswo integrieren kann... - der Twittersteam ist dann ein Blogwidget, der BlogRSS-Trom ein Buzz-Kanal etc.etc.) (Hier fallen -als Nebenbemerkung- die meist geschlossenen Foren z.B. raus.)

Eigenschaften wie Kollaboration (Google Docs z.B.) oder Emergenz (z.B. durch Folksonomy) sind eher ein Nebeneffekt, wenn man die Daten aus der Content-Creation eben interoperabel macht und 'Chatleistungen' (hier: Tagging) aggregiert. eventuell müsste man der expliziten 'Social Collaboration/Sharing' (Google Docs, Mindmeister, Dopplr, Google Latitude, Foursquare etc.) eine besondere Kategorie widmen, da in ihnen mal das Soziale, mal die Applikation (Textverarbeitung) mal der Content im Vordergrund steht. Oder man fasst sie halt unter den Überbegriff.

Noch als Beispiel einer Typisierung:
Twitter ist hier auch klar positioniert: Bei "Social Media auf dem Chatniveau". Natürlich kann man dort auch sinnvollen News- oder amüsanten Micro-Content 'kreieren', aber die Hauptfunktion ist auf dem Chat/Retweet-Level. Und man KANN dort auch sein direktes Umfeld als Social Network pflegen. Aber auch das ist nicht seine Hauptfunktion. (Viele scheinen es einfach als RSS-Reader für CNN und SpiegelEIL zu nutzen - auch das geht, ist aber nahe 'Null' social.)

Freue mich auf Feedback. Wenn's geht im Blog und nicht bei Buzz ;)

Update: Halbe Tonne Tippfehler raus, kleinere Klärungen.

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Kommentare

  1. Hallo Oliver, die Aufteilung der Begrifflichkeiten gefällt mir gut. Musste jedoch manches zweimal lesen, bevor ich es verstand. Der Text ist nicht so leicht verdaulich ;-)

    Übrigens sehe ich in Social Media Marketing nicht nur MLM und eBook Spammer, die sich leider wie eine Seuche verbreiten, sondern eben auch eine ganz tolle Möglichkeit für Unternehmen, mit ihrer Zielgruppe in einen ganz neuen Dialog zu treten.

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    1. Ich hab ja an den Tritt Richtung SMM 2* 'Satire' drangeschrieben, mehr kann ich nicht tun.

      Ja der Text ist "etwas komprimiert". Ich will ja auh nict mit tante erna diskutieren ;) und kein Buch schreiben, obwohl....)

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  2. Full ACK, wie es früher mal im Digital hieß.

    @Steffen
    Nicht der Text ist schwer verdaulich sondern die Rechtschreibung. *duck*

    @Oliver
    Die Idee mit dem Buch ist gut.

    Schöner Post, danke!
    Thomas

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  3. Martin 'frogpond' Koser2. März 2010 um 12:07

    Schöner Text, der auch den Finger in die Wunde legt, dass Begrifflichkeiten von manchen aus niedrigen Motiven unsauber und zur Verwirrung mißbraucht werden. Endlich ein Social Web Berater der Klartext spricht ;)

    Warum ich allerdings nicht bei buzz kommentieren soll kann ich nicht nachvollziehen - klar müsstest du dann auch dort mitlesen und -kommentieren. Aber zum Wohle der interoperablen Konversation müssen wir alle Opfer bringen (und wenn Serendipidity und Wordpress dermaleinst Salmon und co. können werden wir uns fragen wie wir jemals davor digitale Konversation betrieben haben)

    Das muss ich doch gleich buzzen ...

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    1. Ich lese in Buzz, aber nicht alle ;)

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    2. Wg. nieder Motive, nein, ich glaub ausnahmsweise ist hier mal Dummheit die passene ausrede; oder angenommene Dummheit des Kunden (ich akzeptiere nur schlaue Kunden ;) ) , dem man nicht zumutet, sich mehr als 'web 2.0' oder 'social media' zu merken.

      Würde der Kunde nämlich was verstehen könnte er ja eigenständig digitale Gespräche führen.

      Ok, also doch ieder Motive, whatever ;)

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  4. Trackback: Top-Blogeinträge von 2010 - und was man daraus für nachhaltigen Blogtraffic lernen kann
    Gut, ich gehe hier nicht streng statistisch vor (es gibt einige 'Zufallstreffer' mit denen ich viel Traffic habe, die aber nicht von allgemeinem Interesse sind. Ich sortiere lieber mal nach Themen. 2.0 & Co "Wie oft wird mein Name gegoogelt", d

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