Facebook ist nicht das Internet (Blogparade)


David Stingl war so nett die von mir in der "Blog Revival Gang" angeregete Blogparade Blogparade: Facebook ist nicht das Internet zu organisieren. MITMACHEN!"
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Am Wochenende hatte ich eine E-Mail von einem Kunden. Wir hatten an sich über Weblogs gesprochen und auch ein - zunächst nicht-öffentliches - Übungsblog angelegt. Er wollte zuerst seine CI anbringen, bevor er loslegen wollte. Verständlich. Irgendwann signalisierte er, er sei fertig. Ich sah nach: Das Übungsblog sah noch so aus wie vorher. Darauf kam dann die Präzisierung: Er wollte wissen, wir mir denn das Design seiner Facebook-Page und seiner Google+-Page gefalle.
Ich antwortete ihm, dass ich kein Designer sei, und deswegen wenig dazu sagen könne. Und dass es aktuell erst einmal um ein Blog gehe. Und dann kam seine Frage, um die es hier gehen soll:
Warum brauche ich noch ein Blog, wenn ich doch eine Facebookpage oder eine Google+-Seite habe?

Die Antwort ist - und wir verengen mal auf Facebook:
Weil Facebook nicht das Internet ist. Oder noch provokativer: Weil Facebook nicht IM Internet ist.

Das ist natürlich Unsinn; logischerweise ist Facebook über das TCP/IP-Protokoll und den Internetdienst WWW erreichbar.Das ist hier nicht gemeint.
Aber schauen wir uns einmal an, welche Dinge, die für normale Webseiten gelten, für Facebook nicht gelten.

Was ist WWW?
Ich geh jetzt nicht zur Wikipedia, um das nachzuschlagen, sondern versuch es mal ganz einfach: Die Idee des WWW, einer auf verschiedenen Servern im Internet verteilten Masse an HTML-Seiten war es, Informationen zur Verfügung zu stellen, die über Hyperlinks verlinkbar, mit Bildern und Tönen anreicherbar, offen zugänglich und von jedem leicht zu editieren oder erstellen sein sollten.
Heißt: Ich kann aus Worten, Fotos, Grafiken, Audiodokumenten, Videos oder eben sogar Programmschnipseln aus PHP und Javascript und anderem Dokumente erzeugen, die wiederum auf andere Dokumente verweisen können, die, auch wenn sie auf ganz anderen Computern liegen, mir nur einem Klick erreichbar sind. Das war 1989 eine ziemlich revolutionäre Idee. (An sich war der Vorgänger der Idee schon ein paar Jahrzehnte alt, aber egal.) Jedenfalls war es deutlich einfacher zu handhaben als das vorherige Gefummel mit FTP, telnet oder gar mailgesteuerten Fileservern.

Und was ist (an) Facebook (anders)?
Kürzlich, wenn ich es wiederfinde, verlinke ich es, gab es eine Diskussion, in der Facebook als Intranet bezeichnet wurde.Das ist natürlich technisch und logisch schon wieder nicht korrekt, aber vom Gefühl her schon. Denn was ich bei Facebook im Kern tue ist: ich logge mich bei einer Webseite ein (d.h. sie ist nicht frei zugänglich) um mit Menschen zu kommunizieren, die ich kenne. Denn das ist, was Facebook mir signalisiert: Füge niemand als Friend (deutsch: Kontakt) hinzu, den du nicht persönlich kennst - und dem du nicht vertraust. (Dass vor diesem Hintergrund Teenies Ihre Eltern ungern als Facebookkontakt haben, gibt zu denken.)
D.h. im Gegensatz zu einem Forum, aber auch im Gegensatz zu Twitter oder Google+, wo es eher um die Inhalte denn um die Personen geht - ist für eine Facebookverbindung Vertrauen und persönliches Kennenlernen notwendig. So jedenfalls wünscht es sich Facebook.
In diesen persönlichen Austausch (ich vermeide hier das Wort 'privat' absichtlich) haben Suchmaschinen und Analysewerkzeuge keinen Einblick. Stefan Evertz hat mir kürzlich mündlich berichtet, dass Firmen immer wieder mal fragen: "Kann das Werkzeug Ihrer Firma auch Facebook analysieren?" Nein, kann es nicht. Facebook ist eine geschlossene Plattform, da kann ich Interaktionen von Menschen mit der Seite eben nicht so leicht von außen "monitoren".

Facebook als "dark room"
Klar, wenn ich nach "Fritz Müller" suche, dann finde ich auch sein Facebookprofil. Ich sehe Profilbild, Name und Geschlecht - und nicht viel mehr, wenn Fritz das nicht anders will. In der Regel finde ich eben "von außen" sonst nichts von dem, was er auf Facebook tut. es sei denn eragiert öffentlich. Aber auch dann taucht es kaum in einer Suchmaschine auf. Genau in diesem Sinne ist der Begriff Intranet gemeint: Wir haben hier einen "dark room des Persönlichen" mitten im offenen WWW..
Ja, es gibt de Pages und öffentliche "Groups" aber selbst dort werde ich in der Regel via Suchmaschine nur deren Existenz feststellen könne, einzelne Inhalte werden von den Suchalgorithmen nur sehr selten auf die vorderen Ränge der Suchergebnisse gespült.

Facebook als Fremdfilter
Vom CCC-Guru Wau Holland (RIP) stammt der Satz (ausm Kopf), dass man das Filtern den Usern überlassen sollte. Das entspricht auch der im Gedanken des Web an sich (openness) und der 2.-3. Generation der Suchmaschinen die Keyword- und Populatritätsbasiert versuchen, ALLE Information zugänglich zu machen.
Bei Twitter und Google+ beispielsweise gibt es - so man nicht Listen oder 'gedimmte' Kreise einsetzt, keine Fremdfilter: man kann, so man will, in seinem Hauptstream in der Standardeinstellung alle abonnierten Infos sehen.
Facebook setzt die Standardansicht aber auf eine massiv gefilterte Ansicht und sorgt dafür, dass eine Informationsverengung einsetzt: mehr und mehr werden mir die Inhalte angezeigt, mit denen ich interagiere... weil sie mir angezeigt wurden.
Wenn man jetzt - sei es als Page- oder Profilinhaber denkt, dass man gegen Geld alle seine Follower/Freunde erreichen könnte: Weit gefehlt, selbst mit Geld "gepushte" Beiträge werten nur ca. 70% der Interessierten angezeigt.
In diesem Sinne ist sogar das Wort vom "Social/Personal Intranet" daneben, denn ein Intranet würde ja auch alle Infos im Stream anzeigen wollen und es den Nutzenden überlassen, was sie/er filtert.

Fazit
Facbook ist also die digital geworden Filterblase.
Das ist per se nicht böse sondern eventuell sogar notwendig, es hat aber mit der Zugänglichkeit und Offenheit des Internets allgemein und des Webs im Besonderen kaum noch etwas zu tun.
Auch dagegen, dass die Facebook-Inhalte für Suchmaschinen nur sehr oberflächlich erfassbar sind ist aus Privacy-Sicht nicht das Geringste einzuwenden.

Will man aber die Reichweite des Internets voll ausnutzen, so ist Facebook sicher ein wertvolles und nicht zu vernachlässigendes Werkzeug um Markenfans oder persönliche Bekannte hier einzubinden. Es limitiert aber die Reichweite meiner Kommunikation massiv. Nicht nur dadurch, dass nicht jeder in Facebook ist (USA: grob 50%, Deutschland; grob 30%). ich schließe auch Leute aus, die nicht mit mir verknüpft sind (die ich eben über ein Blog und die Suche erreiche) und jene, die zwar mit mir verknüpft sind, bei denen ich aber im von Facebook fremdbestimmten Filter hängen bleibe.

Ich brauche also einen Kanal im echten Web, der aber dennoch für den "social"-Dialog offen ist, der suchmaschinenfreundlich ist und so flexibel, dass er mit nahezu allen Social-Web-Kanälen gut harmoniert: Ein Blog.

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