Die beiden Probleme mit AKK und der Fasnet

tl;dr:

Also.
Ja, Fasnet ist ein Ausnahmezustand (und ich rede nicht über Fasching oder Karneval).  Und an sich darf man auch über alles Witze machen (Erdogan, Ziegen, vgl. auch Tucholsky: Was darf Satire? (Überhaupt lese ich seit einiger Zeit viel Tucholsky und kann es empfehlen, Werkausgabe, 10 EUR...).

Ich sehe zwei wesentliche Probleme in aufsteigender Dramatik hier genannt.

1) An sich ist das Stockacher Narrengericht keine Ehrung sondern eben ein "närrisches Gerichtsverfahren". Und an sich ist es die Rolle des (Hof-)Narren (wie eben das 'Vorbild' der Stockacher) dem Herrschenden, dem sonst keiner offen die Wahrheit sagt)  als Korrektiv zu dienen (wird auch in TYLL von Kehlmann sehr schön skizzert).
D.h. die Fasnet dient dazu (auch von Bürger zu Bürger) dem 'Mächtig(er)en'  offen die Meinung zu sagen (beim 'schnurren' oder 'schnorren'  im Sinne von 'sich beschweren', das geschah früher so, dass Leute vollmaskiert und so anonymisiert ausgingen und den Unmaskieren 'die Wahrheit sagten'). D.h s ist an sich NICHT die Plattform, bei der Mächtige sich über ihre Untertanen/Bürger lustig machen. So wie Satire den Status quo überzeichnet darstellt und dadurch strukturelle 'Fehler' aufdeckt, so könnte der Mächtige auf der Narrenbühne Humor insofern an den Tag legen, indem er seinen satirischen Blick auf sich selbst und sein tun wirft und so eben in einer humoristischen Selbsttherapie einen ausglich schafft.  Für den Nicht-Literat***en sei hier erwähnt, dass der Ausdruck 'Humor' (Saft) aus der antiken Medizintheorie stammt, die als 'Gesundheitsziel' eben den Ausglich von vier 'Säften' im Körper hatte. Das ist anderswo schön nachlesbar.
Heißt also fazitered: Schon aus Fasnachtssicht liegt der Mächtige falsch, wenn er sich auf der Bühne über den Untertanen lustig macht statt über sich selbst.

2) So, und? Darf man jetzt in der Bütt keine Witze mehr machen? Das ist NICHT der Punkt. schlimm an AKK ist nicht, was sie auf der Bühne gesagt hat. Das Gesagte könnte man sogar, so man wohlwollend wöllte, so auffassen, dass sie sich nicht mal über 'das dritte Geschlecht' lustig macht sondern über Männer, die, sagen wir, vom gesellschaftlichen Wandel herausgefordert sind, die von ihr so benannte Cappuchinofraktion, die aber längst Cold Brew in den Vollbart kleckert. (Sollte ich mal bei AKK zu Hause eingeladen sein, überwinde ich mich gern und pinkle im Stehen...) Alles not the point...
Der Punkt ist, dass AKK, wenn sie NICHT in der Bütt steht, SCHLIMMERE Dinge über den geschlechtlich-interpersonellen Komplex absondert, als wenn sie in der Bütt steht.
Das Zitat, das ja vor Wochen durch die Presse ging und entsprechend kommentiert wurde:
„Wenn wir diese Definition [gemeint: der Ehe] öffnen in eine auf Dauer angelegte Verantwortungspartnerschaft zweier erwachsener Menschen, sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen. Wollen wir das wirklich?“
D.h. sie vergleicht hier die "Ehe für alle"  mit der Legalisierung von Inzest. (Poly-Ehen werden ja durchaus,  soweit ich weiß in manchen Ecken des politische Spektrums ernsthaft diskutiert... Und kommen, hier en passant erwähnt, in "Star Trek: Enterprise" vor. Ich finde, es ist durchaus denkbar, dass für Menschen außerhalb eines sexuellen Kontexts eine für alle zugängliche Rechtsfom für eine solche Verantwortungsgemeinschaft geschaffen wird, die dann rechtlich dem gleichgestellt wäre, was bisher 'Ehe' heißt. aus Gründen der Begriffsklarheit kann man ja dann Ehe (2 oder mehr Personen + sexueller Kontext) von, sagen wir eben "VauGgeh" (2 oder mehr Personen ohne jede Einschränkung außer, sagen wir, Geschäftsfähigkeit) abgenzen.)
Ich finde eine solche Äußerung allein deswegen problematisch, weil sie das darunterliegende Wertesystem enthüllt. Merkel hat ja auch gesagt, dass für sie die Ehe etwas zwischen Mann und Frau sei (was ja im Grundgesetz interessanterweise offen bleibt. warum nur?). Diese Haltung ist als persönlich markiert und, denke ich, unproblematisch. Aber Kontexte, wie AKK sie herstellt, sind in einer Weise polemisch überspitzt und ziehen Minderheiten in eine Ecke, in die sie nicht hingehören.
DAS - und nicht Witze über überkoffeinierte, sitzpinkelverwirrte und metrosexuelle Großstadtmänner oder mitgemeinte Transmenschen - ist kritikwürdig. 
AKK hat nicht "mal in der Bütt einen Witz gemacht". Sie hat dort durchscheinen lassen, was sie auch anderswo schon garstiger ausgedrückt hat.

Kommentare