Teil III: Prof. Hendrik Speck - Soziotechnischer Angriff auf die "walled gardens" der Social Networks

Prof. Hendrik Speck - University of Applied Sciences Kaiserslautern
Teil I: Proletarisierung und biologisches Verfalldatum von StudiVZ.

Teil II: Imbalance von Rechten und Pflichen und die StudiVZ-Abmahnung

Teil III (und Schluss): Prof. Hendrik Speck - Soziotechnischer Angriff auf die "walled gardens" der Social Networks

Oliver Gassner: *g* Aber wenn ich das, was du mir bei unserer letzten Begegenung, als wir uns zufällig im Zug gegenübersaßen, erzählt hast, recht verstehe, habt ihr mehr vor als den zukünftigen werdegang von StudiVZ zu "begleiten". Kannst du dazu näheres erklären?

   Hendrik Speck: grundsaetzlich haben wir hier die situation, dass eines wesentliches massenmedien komplett in privater hand liegt, ohne flankierend von entsprechenden medienkommissionen oder beiräten begleitet zu werden, die sowohl inhaltlich als auch gesellschaftlich für eine entsprechende respektierung entsprechende werte und normen sorgen koennten... saemtliche anderen kanaele, radio, fernsehen, publizistik haben derartige kontrollmedien, die eine gesellschaftliche einbettung der medien erlauben, aber auch gleichzeitig den medien verbindliche regulierungen, zusicherungen und schutzraeume im spannungsfeld plattform, gesellschaft und nutzer vorgeben. dies dient auch zum schutz der plattform und zur wahrnehmung ihrer legitimen interessen.


im fall der sozialen netzwerke gilt dies umsomehr, als hier die inhalte praktisch ausschliesslich von den nutzern beigesteuert werden bzw. durch ihre sozialssphaere definiert werden. die problemstellen werden z.b. im ungang mit den teilweise volksverhetzenden, auslaender- oder frauenfeindlichen inhalten deutlich (dies gilt auch fuer andere medien mit nutzergenerierten inhalten), aber auch im fehlverhalten der plattformen, des plattformmangements und den unter umstaenden sittenwidrigen agbs.

Oliver Gassner: Alle anderen Medien haben aber Kanäle und reichweiten. Das Netz ist global. Wo will man so etwas ansiedeln, bei der UNO?

   Hendrik Speck: nein ... es geht hier nicht um zensur sondern um gesellschaftliche einbindung und konsensbildung. strategisch ergeben sich dabei drei moeglichkeiten:

* die grundsaetzliche, schichtenuebergreifende, gesellschaftliche konsensbildung als grundlage fuer medienkompetenz und informationeller selbstbestimmung insbesondere fuer die nutzer, aber auch als ratgeber und begleiter fuer die entsprechenden plattformen. eine diskussion der problematik - durchaus auch in diesem blog, und ein plattformuebergreifender code of ethics mit expliziter beruecksichtigung der nutzerinteressen sind dabei grundvoraussetzung. die oeffentliche meinung - und die oft verwendete assoziation mit dem stasivz (siehe video), verbunden mit einer deutlichen willensbekundung der werbetreibenden, vermoegen wunder bei/oder fuer so manche geschaeftsfuehrung zu bewirken ...

* die gesellschaftliche einbettung der existierenden plattformen durch beiraete, freiwillige kooperation, aber auch falls notwendig - durch entsprechende verweise auf informationsrechtliche grundbeduerfnisse und grundrechte der nutzer z.b. durch die abmahnung der jeweiligen plattformen !!! (welche ironie). und bei aufzeigen von lernresistenz: regulierung. bei den in deutschland (noch) dominierenden portalen handelt es sich (noch) um deutsche kopien - erstaunlich ist eher, dass sie den schutz der privatssphaere noch nicht als wesentliches unterscheidungsmerkmal und wettbewerbsvorteil entdeckt haben.

* die entwicklung entsprechender alternativtechnologien und verfahren, die die privatssphaere der nutzer herstellen und systembedingtes fehlverhalten und versagen weitestgehend eliminieren. ich bin davon ueberzeugt, dass eine dezentrale speicherung, die kombination eines verteilten sozialen graphen, der zugang zu den verschiedenen plattformen bietet (Open Social), der durch mikroformate (OpenID) einfach herzustellen ist und dessen datenebenen und privilegien durch public-key-verfahren (PGP) und trust chains abgesichert sind, einen entsprechenden loesungsansatz darstellt. durch die kontrolle der daten durch den eigentuemer des sozialen graphen - dem nutzer, durch die einfache nutzbarkeit durch mikroformate, durch die sicherheit durch verschluesselung, durch die verringerte anfaelligkeit gegen manipulationen/fakes, und durch die eingebettete authentifizierung und verifizierung lassen sich kompakte, performante, nutzerfreundliche aber auch fuer den mobilen zukunftsmarkt "mitnehmbare" loesungen gestalten.

im fall vom ichwillauchstudierendirectory bin ich jedoch nicht sicher, ob ein derartiger strategiewechsel ohne einen austausch der managementebene um herrn marcus riecke stattfinden kann, insbesondere, wenn die plattform ihre glaubwuerdigkeit zurueckgewinnen moechte.

wir bearbeiten gerade mehrere ansaetze: sowohl die entwicklung entsprechender frameworks, als auch die erarbeitung von gutachten, markteinschätzungen und technikfolgeszenarien fuer entsprechende regulierungsbehörden und juristische auseinandersetzungen.

Oliver Gassner: Auf den Aufmarsch der Juristen gegen StudiVZ und ähnliche 'asymmetisch' gestaltete Angebote, was Rechten und Pflichten angeht, bin ich ja gespannt. Genauso wie auf die durch Nutzer erzwungenen Beiräte - die Investoren werden das lieben ;) . Bis wann aber dürfen wir mit einer BETA eines verteilten und PGP-gesicherten Social Networks rechnen - und gibt es schon einen Namen für das 'Kind'?

   Hendrik Speck: auch andere forschungsgruppen arbeiten seit geraumer zeit an diesen loesungen, weder die verschluesselungsalgorithmen, noch das user managment, noch die vernetzung der entsprechenden nutzerdaten durch microformate selbst sind besonders neu - im gegenteil, entsprechende technologien sind in anderen bereichen laengst teil der zugehoerigen standards. vergleichbar mit den streitigkeiten und auseinandersetzungen um die messenger formate vor einigen jahren ist davon auszugehen, dass die akademische und die open source community das groessere innovationspotential und die im vergleich zu den proprietaeren plattformen hoehere evolutionsgeschwindigkeit aufweisen werden.


   Hendrik Speck:das Open Source Decentralized Social Network unserer studentischen forschungsgruppe hoert momentan noch auf den code namen HelloWorld - unsere bearbeitungszyklen bewegen sich durch die einbettung in den hochschulbetrieb in semestern sowie praxis/diplom/bzw. masterarbeiten- ich gehe davon aus, dass die studentengruppen bis zum ende des sommersemesters wesentliche grundfunktionen bei sourceforge implementiert haben werden - wie unsere bisherigen projekte als open source software loesung. andere interessierte parteien sind dabei recht herzlich eingeladen.

es steht zu weiterhin befuerchten, dass unabhaengige hackergruppen dann auch ohne zustimmung der proprietaeren plattformen den nutzern die moeglichkeit zur "befreiung ihrer daten" geben werden. mit der mitnahme des sozialen graphen, der gesammelten verbindungen und datensaetze des jeweiligen nutzers faellt dann auch das letzte hindernis zur plattformmigration. spannend wird sein, wie lange es dauert, bis die mehrheit der nutzer als bevorzugte loesung akzeptiert.


Oliver Gassner: Danke für das Interview.

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