Superman 77: Realnamen, Pseudonyme, Usenet und Weblogs

Heinz Wittenbrink reagiert in "Furchtlose Rede" oder "Anonyme Feiglinge": Warum Kommentatoren ihre Namen nennen sollten auf eine Diskussion um anonyme oder pseudonyme Blogkommentatoren. er wiederum war von Martin Weigerts Einlassung zu diesem Komplex angeregt worden.

Ein paar Beobachtungen dazu.

I.
Die Realnamendebatte ist alt. Wir haben sie im Usenet ausführlich diskutiert im Kontext mit der Netikette. Meine Frage war da immer: "Würden Sie mit einer maskierten Person an der Haustür diskutieren?" Ich hatte auch den Fall, dass das Telefon klingelte und jemand guten Tag sagte und mit mir über etwas sprechen wollte, was er im web gefunden hatte. Ich fragte, mit wem ich spreche. er sagte, sein Name tue nichts zur Sache. Da hab ich kommentarlos aufgelegt. Das Nennen eines Namens gehört finde ich zu den minimalen Gepflogenheiten der Gesellschaft.

II.
Pseudonyme und Künstlernamen sind eine andere Sache. Wer weiß schon, wie Wau Holland (RIP, Alterspräsident des CCC) wirklich mit Vornamen hieß? Während bei Kosmar noch viele spontan sagen können, wie er heißt, dürfte das bei padeluun schon schwerfallen (mir jedenfalls). Und ich hab null Ahnung, ob Rena Tangens wirklich so heißt oder nicht. Und bei Endergone Zwiebeltüte stand angeblich das Pseudonym als Künstlername sogar im Pass. Legenden wie Kibo, die im Usenet beinahe religiösen Charakter haben, kommen dazu.
Für mich elevant ist, dass hinter so einem Pseudonym eine stabile Identität steht. Was mir einmal passiert ist: Ein anonymer Blogger schrieb einen Artikel, in dem er meinen Namen und den einiger anderer Leute in sehr unfreundlichem Kontext einer 'Liste' hinzufügte. Nachdem ich Jahre später mit dem Blogger via Twitter recht" nett" plauderte und ihm geholfen hatte (ich weiß bis heute nicht, wer es ist), wies ich ihn auf den alten Artikel hin. Er sagte, das habe er gar nicht geschrieben und löschte den Artikel. D.h entweder handelt es sich um ein Gruppenpseudonym (man google mal Monty Cantsin oder suche Karen Eliot bei Facebook) oder da hat ein 'Alliierter' des Bloggers dessen Pseudonym benutzt, um sich selbst nicht (juristisch) zu exponieren und einfach nur üble Nachrede zu verbreiten. D.h. wenn ich nun das Blog lese, kann ich nie sicher sein: Ist das die nette Twitterperson oder der Typ, der mich unfreundlich behandelt? Welchen Inhalten von wem vertraue ich?

III.
Ein anderer pseudonymer Blogger (der sich Dritten auch schon offenbart hat) ist gelegentlich in Kommunikation mit mir. Ich schätze ihn als extrem kompetent ein. Ihm bei Twitter zu folgen sehe ich nicht als Problem, aber wenn ich eine 'Unperson' als Kontakt in einem Social Network habe (bei XING erst recht), will ich auch wissen, mit wem ich es zu tun habe.

IV. Stabilität und 'für etwas einstehen' denke ich sind für mich hier relevant. wenn jemand mit Pseudonym nur pöbelt und nicht argumentiert, dann bin ich kaum geneigt, das Gespräch ernst zu nehmen. Das hat mir den Spaß am Schreiben in Telepolis gründlich vermiest und gerade solche Umgebungen machen den Abscheu der Journalisten vor den 'Online-Pöbleren' vollkommen verständlich. Würde heise Realnamen einfordern (jaaaa, auch da kann man hinschreiben, was man will), dann würden zumidenst einige etwas hilfreicher argumentieren, wenn auch das was da steht ihnen nicht gefällt.

V.
Was Blogkommentare angeht sind mit Realnamen oder Pseudonyme egal (sofern sie nicht eindeutig aus SEO-Gründen gewählt werden). Wichtiger ist mir, dass es kein Scheinkommentar zu SEO Zwecken und keine Pöbelei ist. Dem einen wird das Link entfernt, der andere wird gelöscht. meine Hauptkommentarmoderationsregel ist: "Wer sich wie ein Gast benimmt, wird wie ein Gast behandelt." Und bei mir heißen Gäste normalerweise nicht "Superman77".

***
Und:
Da immer mal wieder ein Autor darauf verweist, dass er 'unter Synonym' publizieren will, verweise aich auch mal auf meinen Artikel zum Nym-Komplex:
Anonym, Pseudonym, Synonym, Antonym, Homonym - ein Grundkurs

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Kommentare

  1. Ursprung der Netiquette war ja das Usenet - leider muss ich immer häufiger beobachten dass dort Realnames oft nur noch die Ausnahme darstellen.
    Aber sehr gute Argumente, werde den Artikel auf jeden Fall verlinken - vielleicht hilft es ja :)

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    1. Das Usenet und die ersten Listservs/Mailinglisten.

      Die "Netcops" sind in die Blogosphäre weitergezogen ;)

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  2. Danke, vieles wusste ich nicht, und die Schlussfolgerungen teile ich. Dabei geht es nicht um ein Verbot von Anoymität.

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  3. Ich bevorzuge es in z.B. politischen Diskussionen natürlich auch immer, einen bezug zu meinem gegenüber zu haben.

    Doch leider sind echt erscheinende Namen im Internet, oft auch nur Pseudonyme. Zum Beispiel werden nicht vorhande Doktortitel gerne genutzt, um gehör zu finden oder evtl. politisch fragwürdige Ansichten zu vertreten.

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  4. Sehr interessante Gedanken zum Thema Anonymität in virtuellen Netzwerken.

    Meiner Meinung nach hat das Thema zwei Seiten. Zum einen denke ich kann Anonymität helfen ehrliche und sachliche Diskussionen anzuregen, zum anderen kann es aber auch behilflich sein Gesprächspartner zu täuschen und zu manipulieren.

    Wie auch immer, vorallem im kommerziellen Bereich ist es wichtig echte Ansprechspartner mit Realnamen zu haben. Nach dem Motto wer nichts zu verstecken hat, kann auch seine Identität preis geben.

    [Spamurl disabled ;) - OG]

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