"Seasonal Noise", oder: "Warum ich E-Mails mit den Wort Adventskalender ab sofort separat filtere"



"Wenn ich jetzt nochmal das Wort 'Adventskalender' höre...., dann schreie ich...", hab ich gestern auf G+ geschrieben.

Ich führ das mal aus.

Erstens.

Ich hab weder was gegen Advent noch was gegen Adventskalender. Hier im Haus gibt es viele davon.
Während sie zu meiner Kinderzeit noch eher der Einstimmung der Kinder auf die Weihnachtszeit dienten - oder der Kanalisierung der Vorfreude - greifen sie jetzt nicht nur auf dieErwachsenenwelt über sondern zeichnen sich auch durch eine massive Kommerzialisierung aus. Ich jedenfalls entsinne mich, dass meine ersten Adventskalender einfach aus einem Farbdruck mit Türchen bestanden. Hinter denen waren... Bildchen. Nicht zum Rausnehmen, nicht als Aufkleber oder Tattoo, einfach nur Bildchen zum Angucken. Ein Stern, ein Schaukelpferd. Und so. Dann kamen die mit Schololade, meine Kids haben welche mit 'Edelsteinen', 'Schmuckbastelsets' oder Star Wars Legokram.
Im Rahmen des allgemeinen Erbauungstrends gibt es dann auch Adventseinstimmungsbücher mit schönen Bildern und netten Geschichtchen für Erwachsene. Für mich ist die Zeit um den Jahreswechsel durchaus auch eine willkommene Pause zur Reflektion und für neue Ideen. Insofern: Von mir aus.

Zweitens.
Der erste, der einen Online-Adventskalender gemacht hat, der war originell.
Der zweite hoffentlich noch ein guter Kopierer.
Inzwischen reißt das kaum noch einen vom Hocker und das Einzige was es tut ist: Die Menge der Mails zu vervielfachen.
Wer mir sonst alle paar Monate einen Newsletter schckt, meint, er müsse mir jetzt täglich eine Mail schicken.
Würde er mich wenigstens erbauen (wie es aktuell nur eine Mailsenderin tut), fände ich das dann noch halbwegs akzeptabel. Aber in 99,8% der Fälle (Wert gefühlt), soll ich einfach nur was kaufen, was entweder noch raus muss oder überteuert ist.
Der eine (ein Organisationsexperte, sozusagen), der was verlost, meint, ich müsse dann täglich aber nochmal meine Adresse tippen. Nervig, ineffizient, öde. Oder soll das eine meditative Übung in Selbstvergewisserung sein?
Ein anderer (der verkauft Bürozeug) meint in der Tat, dass ich täglich aus einer Werbesendung einen Aufkleber abpople, ihn anderswo aufklebe und dann eine 7stellige PIN irgendwo online eintippe um den Tagespreis zu gewinnen. Klar, mach ich wenn ich alle anderen Adventssendungen abgearbeitet habe, ja?

Jedenfalls:
Bei allen, die jetzt nicht grade hektisch das letze Budget 2011 verbraten müssen, kehrt dieser Tage etwas Ruhe ein.
Man kann angesammelte Stapel abarbeiten, mal im Büro aufräumen, sich Gedanken über 2012ff. machen und so weiter.
Wenn nicht die Mail-Last sich verzehnfachen würde, weil alle glauben, sie müssten gerade JETZT täglich was schicken.

Das ist Anti-Besinnlichkeit, Anti-Advent.

Ja, mag sein, dass in manchen Branchen der Dezember der beste Monat ist in dem 50% des Jahresumsatzes gemacht wird. Dann arbeitet das Jahr über an eurer Marke und an eurer Reputation, dass, wenn die Leute 'Weihnachtsgeschenk' denken, dass ihnen dann sofort Aldi, Swarovski oder Karstadt einfällt: "Da muss ich hin."
Aber am Jahresende dann die Aufmerksamkeitsmaterialschlacht loszutreten und die Kommunikationsfrequenz mit der Herzfrequenz eurer Aktionäre zu synchronisieren - das ist nicht nur zu spät, das geht gegen alles, worum es geht -- egal ob man religiös ist oder nicht und die Zeit des Jahreswechsels einfach als reflexive Ruhephase nützt.

Ich pointier es noch mal:
Ihr plärrt uns unsere Seele kaputt. Und eure eigene.

Denn dann sitzt ihr am 25. beim Geldzählen. Und wohin das führt, das kann man bei Dickens in "A Christmas Carol" nachlesen.

Advent is not enough.

Überhaupt wird jedes Quasi-Ereignis genutzt, um mir zu erklären, dass genau jetzt der richtige Zeitpunkt ist, mein Geld auszugeben:
- Back to school.
- Halloween-Sonderangebote (ok, bei Kürbissen und Masken, aber SONST?)
- Adventsonderangebote
- Weihnachtssonderangebote
- Boxing Day Sonderangebote
- Neujahrsangebote
- Neujahrsangebote nach dem orthodoxen Kalender
- japanisch Neujahr-Angebote
- 'endlich Mai' Sonderangebote
- bald ist Sommer-Angebote
- Sommer-Sonderangebote
- bald ist Halloween-Sonderangebote

Und alle schön gehäuft um ein paar Tage rum gruppiert.
Am besten per Mail.

Schon mal jemand getroffen, der findet, er kriege nicht genug Mail?
Ich nicht.

Und jetzt?

Ich sortier jetzt alles, mit passenden Stichworten in einen ".sn"-Ordner, 'Seasonal Noise'.
Dann ist Ruhe. Im Advent und darüber hinaus.

Nein, ich lösch es nicht.
Es könnte ja Kundenmail dabei sein.
Dem erklär ich dann, was man das Jahr über stattdessen machen könnte.
Zum Beispiel: auf Kunden hören.

[Hab den Text -nachdem er offenbar einen nerv trifft - um ein paar Tippfehler erleichtert und ein paar Bemerkungen ergänzt.]

Facebook Kommentare



Kommentare

  1. Ich sammle seit einigen Jahren besonders unoriginelle, unpersönliche Weihnachtsmails, Teil von Menschen, die ich kenne, Teil von mir gänzlich Unbekannten. Es ist zuweilen unglaublich, wie das Format Weihnachtspost zu schnöden Reklamezwecken missbraucht wird.

    AntwortenLöschen
  2. Hier gibt es eine Super-Analyse von Kerstin Hoffmann:
    [url]http://www.kerstin-hoffmann.de/pr-doktor/2010/12/17/aktionen-die-mehr-schaden-als-nutzen-heute-werbebrief-als-weihnachtspost-getarnt/[/url]

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen