Blogger Relations: Was zu sagen wäre

Für Ihre Bachelor-Thesis habe ich Anika Hering ein Telefoninterview gegeben. sie war so nett, mir den transkribierten Text zu überlassen und mir eine Vorab-Publikation zu erlauben.

Was unterscheidet Weblogs von klassischen Medien und was Blogger von Journalisten?
Ich sage immer, dass ein Journalist jemand ist, der ein Journal schreibt, also der jeden Tag aufschreibt, was wichtig ist. Das tun Blogger aber auch. Man könnte historisch sogar sagen: Die Funktion, die der Journalismus in der bürgerlichen Gesellschaft eingenommen hat, nämlich dem Bürgertum eine Stimme zu geben, mit der es den politischen oder den kulturellen Alltag kommentieren kann, das tun jetzt die Blogs.
Die Unterschiede sind dennoch relativ deutlich: Man spricht bei Blogs vom sogenannten Personal Publishing, das heißt, es steht im Wesentlichen eine Person im Vordergrund. Es gibt natürlich Blogs, die magazinartig geführt werden. Dann gibt es keinen großen Unterschied mehr. Aber im Wesentlichen sind Blogs eben persönliches Publishing, wo eine einzelne Person bestimmt, was in das Blog kommt, und nicht eine Redaktion oder eine Verlagsrichtlinie. Journalisten arbeiten in der Regel in einer größeren Struktur, die steuert, was der Journalist publiziert und wie er es publiziert. Das übernimmt die Redaktion, die den Text redigiert, also eventuell noch verändert. Die gibt es in der Regel beim Blogger nicht.
Außerdem ist es so, dass der Blogger sich eher seinem Interesse verpflichtet fühlt, das eben auch gefärbt sein kann oder eine bestimmte Agenda hat. Der Journalist dagegen tut zweierlei: Er trennt objektive Berichterstattung von Kommentar, soweit das überhaupt möglich ist. Dagegen wirft der Blogger in der Regel Bericht und Kommentar, also Faktenbehauptung und Wertung, zusammen. Aber jedem, der das liest, ist das auch klar, insofern unterscheidet sich ein Blog eigentlich nicht von der Kommentarspalte der Zeitung. Also eigentlich tun Blogger und Journalisten dasselbe, nur dass Blogger im Wesentlichen selbst verantwortlich sind und Journalisten von Fremdverantwortung gesteuert werden.
Der Journalist ist daneben als Medienmitarbeiter immer vom wirtschaftlichen Erfolg der Rahmenfirma abhängig, während der Blogger im Prinzip mit kostenlosem Internetzugang seine Stimme einfach verbreiten kann und den finanziellen Erfolg nicht zwingend braucht.

Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein, wie Blogger Relations zurzeit in Deutschland betrieben werden?
Ich habe den Eindruck, dass sich viele Firmen um Blogger bemühen. Weitgehend ist das aber aus meiner Sicht noch SEO-gesteuert. Das heißt, die Blogger Relations liegen eigentlich nicht da, wo sie hingehören, nämlich in der PR -/Marketingabteilung. Sie liegen dagegen in der Abteilung, die für die Webseite und deren Suchmaschinenoptimierung zuständig ist. Diese Abteilung spricht Blogger ganz anders an, als es eine Abteilung tun würde, die sich mit dem Produkt an sich oder mit Kommunikation beschäftigt. Anders gesagt: Blogger sind momentan durchaus stark umworben, aber aus meiner Sicht von den falschen Leuten und den falschen Abteilungen. Nichts gegen SEO, aber momentan führt das dazu, dass sich Blogger nicht richtig angesprochen fühlen. Jeder Blogger hat Schwierigkeiten mit Leuten, die sein Blog nur wegen Links zu spammen und da wirft er eventuell auch den ein oder anderen seriösen Suchmaschinenoptimierer in den falschen Topf.


Wo liegen Vorteile der Blogger Relations und wo Schwierigkeiten und Risiken?

Man hat bei Blogger Relations, wenn sie von der richtigen Abteilung gemanagt werden, den Vorteil, dass man Leute als Gesprächspartner bekommt, die für ein Thema brennen. Es gibt natürlich die, die rein aus Gründen der Suchmaschinenoptimierung über irgendetwas schreiben, aber ich denke, die allermeisten erfolgreicheren Blogs werden von Leuten geführt, die sich wirklich für Filme, für Software, für Hardware, für das Thema, über das sie schreiben, intensiv interessieren und entsprechende Kompetenzen haben. Diese Leute als Gesprächspartner zu haben, halte ich für eine Firma für extrem wertvoll. Jenseits davon, ob diese Leute dann über die Firma bloggen oder nicht. Wenn eine Firma es auch noch schafft, Blogger so von ihrer Firmenkultur zu überzeugen, dass sie Fan dieser Marke, dieser Firma oder dieses Produkts werden, dann umso besser. Dann hat sie den Experten, der auch noch hinter ihr steht. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert, denn der Blogger ist derjenige, der im Zweifelsfall von seinem Umfeld - und das Umfeld eines Bloggers kann ja sehr groß sein - bei Kaufentscheidungen gefragt wird.
Das Risiko, denke ich, besteht eher darin, dass ich meine Marke bei diesen Social Publishern auch langfristig verbrennen kann, wenn ich in ungeeigneter Weise mit den Leuten umgehe. Das bedeutet, wenn ich mich nicht für die Blogger interessiere oder sie nicht erwünscht sind, dann reagieren die Blogger genauso abweisend. Diese Abneigung kann durchaus langfristig und nicht einfach überbrückbar sein. Das Risiko liegt immer in der Ansprache der Blogger, aber natürlich auch darin, dass ich ein mieses Produkt habe. Wenn das Produkt gut ist und wenn ein Unternehmen bestrebt ist, es noch besser zu machen, dann hat es auch kein Problem. Eine Firma kann dann durchaus etwas falsch machen und dann auf die aufkommende Kritik reagieren. Das wird auch positiv aufgenommen.

Welche Bloggertypen sind für Unternehmen erreichbar und gibt es Gruppen, die für Unternehmen nicht erreichbar sind?
Am einfachsten ist es natürlich bei den Bloggern, die ein sogenanntes Fachblog führen, also die inhaltlich über ein Thema berichten. Strickblogger, Autoblogger, jemanden, der sein Eigenheim renoviert oder der Bücher liest und darüber berichtet, den kann ich einfacher erreichen, dem habe ich auch etwas zu bieten. In den USA sind zum Beispiel Mummy-Blogger sehr mächtig, denen geben Firmen zum Beispiel Windeln zum Testen und sie bloggen darüber.
Ich denke, dass die Tagebuchblogger, also die, die mehr oder weniger ihre eigenen Befindlichkeiten und die Vorgänge in ihrem Leben zum Thema haben, aber dabei keinen inhaltlichen Fokus haben, schwerer erreichbar sind. Da ist auch die Frage: Was biete ich dem Blogger; kann ich ihm Zugang zu Informationen früher oder intensiver bieten, als es jemand anders hat?
Die Fach- und Businessblogger sind ganz gut ansprechbar, die Privatblogger nicht. Wer auch weniger ansprechbar ist, sind die Corporate Blogger. Wenn sich allerdings Synergien ergeben, kann man da vielleicht einen Gastartikel schreiben. Aber einen Corporate Blogger bspw. zu fragen, das neue Duschbad zu testen, bringt natürlich wenig.
Bei den Privatbloggern oder Tagebuchbloggern kann man es vielleicht regional probieren. Da ist es möglich, die Blogger einer Region als Unternehmen einzuladen, beispielsweise als Bank. Wenn der Themenradius weit genug ist, kann das vielleicht funktionieren. Tagebuchblogger sind aber oft eher etwas wirtschaftsfeindlicher eingestellt. Ebenfalls schwerer zu erreichen sind die Politblogger.
Wichtig ist, sich Blogs und deren Blogger immer genau anzuschauen. Wenn man den Eindruck hat, dass jemand den Businessteil des Bloggens nicht gut findet, dann bringt es auch weniger, den anzusprechen.

Welchen Stellenwert sollten Blogger Relations im Rahmen der Unternehmenskommunikation einnehmen?
Es macht inzwischen kaum noch Sinn, in der Relevanz zwischen Bloggern und Journalisten zu unterscheiden. In der Vorgehensweise dagegen schon. Das bedeutet, die Abteilung, die mit Journalisten spricht, sollte auch das Know-How und die Kompetenzen haben, mit Bloggern zu reden. Vor Jahren war es noch so, dass Blogger, wenn sie zu einer Messe Zugang haben wollten, abgewiesen wurden, obwohl diese Blogger manchmal eine größere Reichweite hatten als manche eingeladenen Fachjournalisten. Wobei natürlich nicht nur die Größe der Reichweite eine Rolle spielt, sondern auch die Qualität. Die Weitergabeeffekte steigen gerade seit Twitter und Facebook ständig, deshalb sind diese Effekte nicht zu vernachlässigen. Das heißt, aus meiner Sicht sollten Blogger und Journalisten gleich behandelt werden.

Was müssen Unternehmen vor der Ansprache von Bloggern beachten? Was sind dabei Erfolgsfaktoren?
Sie sollten sich einfach mit dem Thema Weblogs befasst haben und das Blog, das sie ansprechen, auch gelesen haben, vielleicht sogar über längere Zeit. Sie sollten sich auch in Situationen begeben, wo man Blogger trifft, also zum Beispiel auf Barcamps, auf der Republica oder bei lokalen Bloggertreffen. Das kommt immer auf die Größe der Unternehmens an. Unternehmen sollten vielleicht Blogger einladen, bei einer Messe am Unternehmensstand vorbei zu kommen. Nicht nur 08/15-Emails schreiben, dass man das Blog liest, und dann kommt raus, dass man vielleicht nur die letzten drei Artikel gelesen hat. Aus meiner Sicht macht es auch überhaupt keinen Sinn, wenn ein Unternehmen, das selbst nicht bloggt, Blogger anspricht. Das passt nicht zusammen, dann sind Unternehmen nicht auf Augenhöhe der Blogger. Unternehmen sollten sich wirklich mit der Blogkultur befassen und Blogger ernstnehmen und sie nicht nur als Linkquelle auffassen, die man mit Formbriefen abspeisen kann.
Wie sieht die ideale Ansprache aus, wie Unternehmen Blogger kontaktieren sollten?
Ich halte eine Face-To-Face-Ansprache für den Idealfall. Die Unternehmen sollten wirklich dahin gehen, wo sich Blogger treffen und da Leute kennenlernen. Eine Ansprache sollte immer nur unter der Voraussetzung stattfinden, dass man sich ernsthaft mit dem auseinandergesetzt hat, was die Person macht. Der zweitbeste Fall wäre wahrscheinlich ein Anruf oder eine Email mit der Bitte um ein Telefonat. Eine Mail mit einer plumpen Vorstellung von Firma und Produkt halte ich für ungeeignet. Besser ist, Interesse zu zeigen, dass das eigene Unternehmen mit Bloggern zusammenarbeiten möchte, und um ein persönliches Gespräch zu bitten. Oder man macht beispielsweise mit dem Unternehmensblog bei Blogparaden mit. Ich glaube, die allerbeste Möglichkeit, mit Bloggern in Kontakt zu kommen, ist selbst zu bloggen, weil sich dann das Kommunikationsumfeld von selbst einfindet.

Wenn dieser Erstkontakt stattgefunden hat: Was können Unternehmen dann Bloggern bieten, um für Sie interessant zu werden?
Exklusive Termine für Blogger bei Messen oder im Unternehmen oder am Rand von anderen Treffen. Den Bloggern bspw. auch per Webinar oder per Video Zugang zu speziellen Informationen bieten. Ein Unternehmen kann zum Beispiel einen Prelaunch oder eine Preview für Blogger oder eine spezielle Blogger-Pressekonferenz veranstalten, online oder im echten Leben. Es ist auch möglich, ihnen Produktproben zur Verfügung zu stellen oder sie etwas zusammen mit der Firma erleben zu lassen, was sie normalerweise nicht erleben. Zusammengefasst: Den Bloggern Zugang zu ganz speziellem Content zu bieten, der für sie interessant und exklusiv ist. Bloggern das zu geben, was alle anderen auch bekommen, ist für sie nicht sehr spannend.
Es könnte sein, dass Unternehmen Bedenken haben, Bloggern etwas vorab zur Verfügung zu stellen. Sehen Sie da Probleme bezüglich Professionalität von Bloggern?
Grundsätzlich muss ich die Blogs selbst vorab prüfen: Wenn ich keine Professionalität sehe, dann kann ich auch keine erwarten. Ich kann es bei Bloggern zumindest in einem geringeren Maße erwarten als bei anderen. Ein Blogger hat sicher keine Lust, Sperrfristen einzuhalten, weil er das auch gar nicht gewöhnt ist. Er ist gewöhnt, etwas sofort zu verbloggen. Unternehmen sollten Bloggern also in der Regel keine Informationen mit Sperrfrist geben. Ich halte Sperrfristen allerdings auch nicht mehr für so zeitgemäß für die Form der Medien, wie wir Sie aktuell haben. Aber Unternehmen müssen sich jedes Blog vorher genau anschauen. Und wenn mal etwas schief läuft, müssen sie mit dem Blogger in Kontakt treten. Grundsätzlich sind Blogger aus meiner Sicht freundliche Menschen, die in der Regel schon das Positive eher hervorheben als Kritik. Und wenn sie Kritik üben, dann sollte das Unternehmen dankbar sein, weil es so relevantes Feedback bekommt.

Wie sollten Unternehmen auf Kritik in Blogbeiträgen reagieren?
Anrufen. Oder per Kommentar das Angebot machen, darüber zu reden. Grundsätzlich die sollte sich die Rechtsabteilung zunächst zurückhalten und nicht direkt abmahnen. Besser ist der Versuch, mit dem Blogger darüber zu reden, das Problem zu verstehen und eine Antwort zu finden. Das Unternehmen sollte versuchen, auf Augenhöhe zu reagieren und das Feedback ernst zu nehmen.

Wie werden sich Blogger Relations in Deutschland entwickeln?
Ich hoffe, dass das Thema Blogger Relations wirklich ein Blogger Relations-Thema wird, also an die PR angedockt wird und nicht im SEO-Bereich bleibt, wo es eigentlich keine echten Blogger Relations sind. Ich kann mir auch vorstellen, dass sich Blogs durch die Dinge, die gerade bei Google passieren, oder beispielsweise auch durch die neue Möglichkeit, sein Blog bei Xing zu integrieren, als ernsthafter Businesskommunikationskanal etablieren. Dadurch wird vielleicht auch den Firmen klar, dass Twitter und Facebook google-technisch sehr vergängliche Medien sind und die Investition in Blogger Relations eigentlich sehr nachhaltig ist, weil Blogbeiträge über Jahre und vielleicht auch über Jahrzehnte noch gefunden werden.

Bliebt zu erwähnen, dass ich Firmen gerne beim Thema Blogger Relations/Social Web Relations unterstütze.

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