Offener Brief an die Geschäftsführung des "Südkurier"

[k] Sehr geehrter Herr Wiesner, sehr geehrter Herr Bieler-Loop,

gerade habe ich Ihren Newsletter abbestellt.

Ich würde Ihnen gerne sagen, warum und was mich aktuell am Südkurier bzw. dessen Onlineangebot stört.

Erst einmal das unmittelbare. Wir haben hier im Haushalt den Südkurier als Papierausgabe abonniert. Aktuell zusammen mit meiner Mutter. Da sie wegzieht, werden wir demnächst ein weiteres "Papierabo" abschließen.

Parallel hatte ich im Büro (da ist nahe am Haus) diverse Südkurier Newsletter abonniert, da ich es praktisch fand, das eine oder andere schon aktuell zu lesen.

Nun informiert mich das Online-Angebot per Overlay, dass ich pro Monat nur 7 Artikel online lesen kann und sonst als ABONNENT 99 Cent (!!??) pro Monat zusätzlich zahlen soll, um Zugang zu mehr als sieben aktuellen Artikeln zu haben. Wenn ich recht verstehe ist das Angebot, was ich dann sehe, nicht werbefrei? (Dass man so ein Overlay recht simpel umgehen kann, muss ich Ihnen ja nicht sagen, ich habe es aber nicht vor.)

Das kommt mir vor, als könnte ich das Karstadt 7 Mal im Monat kostenlos betreten, ab dem 8. Mal müsste ich dann Eintritt bezahlen um stöbern zu dürfen. (Ein Surfer sollte Ihnen ja auch Werbeeinnahmen bringen. Sie verdienen als doppelt, bzw. eben nach dem 7. Mal nichts mehr.)

Da ich recht schnell auf 7 Klicks komme, habe ich den Newsletter abbestellt.
Ich werde nun einfach die Unterseite/Suche für Steißlingen ansurfen, da reichen die sieben Klicks pro Monat locker - sofern sie nicht ohnehin den Pressetext der Gemeinde abdrucken, der schon im 'Blättle' stand.

Am Newsletter störte mich übrigens, dass er wohl automatisch und nicht redaktionell war - denn nicht selten wurde ein und die selbe Story, die im Blatt doppelt war (Cover/Land/Region) auch im Newsletter 2* gefeatured. Das fühlte sich nicht qualitativ hochwertig an.

Am Onlineangebot fand ich übrigens störend, dass der weiße Bereich rechts von den L-förmigen Anzeigen auch als Anzeigenfläche galt, so dass man, wenn man - was ja vorkommt - mal die Maus 'resetten' muss und in eine neutralen Bereich klicken will, einen Anzeigenklick erzeugt hat. Schwer zu sagen, wie ein Jurist oder Ihre Anzeigenkunden das finden, ich halte mich mal mit einer allgemeinen Bewertung zurück und sage nur: ich fand das ganz persönlich extrem suboptimal gelöst.

Es mag auch sein, dass der Südkurier eine moderne Zeitung ist - schade übrigens, dass die Südblogs weg sind, ich habe sie in meinen Kursen für Journalisten immer als best practice gezeigt -, es mag ebenfalls sein, dass ein Touch Boulevard heute dazugehört. Mir ist der Touch stellenweise etwas zu platzeinnehmend. Dennoch führt denke ich am Südkurier kein Weg vorbei - mangels Alternativen (oder ich schau mir doch noch mal das Wochenblatt genauer an).

Übrigens. Modern.
Wir haben im Zuge des Neuabos überlegt, ob wir das ePaper mit Nexus 7 (Lob für Android, ganz ehrlich) nehmen. Da es aber gleich viel kostet, wie das Papierabo und uns eine Papierzeitung attraktiver für den Nachwuchs scheint - wenn die das Pad in der Hand haben, machen die alles - nur nicht Zeitunglesen, werden wir beim Papierabo bleiben. Klar hat die Entwicklung der App etwas gekostet, aber wenn das funktionieren soll, sollten Sie Preisvorteile (Papier, Druck, Transport, Austräger) auch weitergeben.

Ach ja, paid content.
Natürlich dürfen journalistische Inhalte und journalistische Qualität etwas kosten. Ich verkaufe ja selbst auch Texte - sehr manchmal sogar an den Südkurier ;) (hoffentlich in Zukunft auch noch ;) ). Ich bin mir aber nicht sicher, ob man für Papierabonnenten das Klicken in der Onlineausgabe drosseln bzw. mit einem Kassenhäuschen sollte.

Und wo wir gerade schon reden:
Jetzt würde mich noch interessieren, wie Sie die neue Initiative von Google bewerten: Dass Publisher, die Ihre Inhalte nicht explizit kostenlos für Google News freigeben, dort nicht mehr gelistet werden? Und: Wie werden sie sich entscheiden?

Ich freue mich natürlich auf Ihre Antwort entweder als Kommentar in meinem Blog oder per Mail oliver.gassner+sk@gmail.com

Spannend wäre auch, wenn Sie Lust auf ein Live-Videogespräch als Hangout on Air hätten.
Oder auf nen Kaffee hier in Steißlingen oder in Konstanz ;)

Es grüßt
Oliver Gasssner

***
Update:
Sebastian Stier vom Südkurier war so nett, mich anzurufen. Wir haben ein paar Dnge geklärt.
Geirrt habe ich mich an zwei stellen:
a) Es sind sechs Freiartikel / Woche und nicht sechs oder sieben pro Monat. Laut Seiner Aussage bin ich ein 'Spitzennutzer' des SK-Online, in dem ich so viele Artikel abrufe. D.h. wenn ich beim täglichen Newsletter auf je zwei Artikel klicke, bin ich schon in den Top (z.b.) 20%. den Newsletter haben wohl auch nur wenige abonniert.

b) Das Digitalabo kostet ca 2/3 vom Printabo, das sei auch in etwa der Preisvorteil, rechne man zudem den Vorteil durch das Nexus 7, komme man auf ca 5 EUR/Monat (Als Papierabonnent, eben abzüglich der Kosten für das Nexus 7/32 GB).

Außerdem:
- Abonnenten werden deswegen zur Kasse gebeten, weil man auch Extraservicves biete (Chats und Liveticker). Ich gab zu bedenken, dass sich die Zahlschranke erst einmal nicht wie ein Extraservice sondern wie eine Limitierung anfühlt. Weiter Zusatzdienste bei SKplus (dass Bild+ auch so heißt ist Zufall, SKplus war wohl vorher in Planung) sind 'SK Damals' und ein Rechercheservice.
- Was der Südkurier an Auflage verliert macht er finanziell mit ePaper wett - allerdings sinken die Anzeigenvolumina massiv. Da die anzeigen das Basisangebot - wie bei der Zeitung auch - mitfinanzieren, sind sie auch bei der Paid-Version eingeblendet.
- Die Südblogs hatten zu wenig Reichweite und wurden deswegen eingestellt, das hat nichts mit dem neuen Eigner zu tun.
- Da bei einem Event gestern auch der Onlinezuständige des SK war, konnte ich auch das mit den Anzeigenflächen klären: Da manche Anzeigentypen dieser Art erlauben, den Hintergrund einzufärben, gilt diese Fläche ebenfalls als Anzeigenfläche. Der SK verkauft aber nur Views/PIs der Anzeigen, keine Klicks - weist diese aber zur Information aus.

Wir haben uns auch generell über die, wie ich finde, qualitative Abwärtsspirale des Qualitätsjournalismus unterhalten. Ich seh ja einiges ein, den Newsletter werd ich dennoch de-abonniert behalten - ich hab ja die Papierzeitung ;)



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Kommentare

Besim Karadeniz hat gesagt…
Dass eine Lokalzeitung die Auflagenverluste durch ePaper wettmachen kann, halte ich für ein Gerücht. Das hieße ja, dass ein größerer Teil aller Kunden, die eine Zeitung nicht mehr kaufen (das sind bei Lokalzeitung vornehmlich Abonnenten) vor allem deshalb nicht mehr kaufen, weil sie jetzt elektronisch lesen würden. Da wäre der Südkurier aber eine gewaltige Ausnahme vom Trend - weltweit.
Oliver hat gesagt…
Ich kann nur weitergeben, was mir gesagt wurde ;)
Marc hat gesagt…
Am Südkurier stört mich persönlich, dass einige Reporter schon fast Bild-mäßig ihre Schlagzeilen bekommen möchten und die wahnwitzigsten Storys über die langweiligsten Sachverhalte verfassen - und diese auch noch gefeatured werden (Ich nenne hier jetzt lieber keine Namen).
Auch finde ich es eher suboptimal gelöst, dass das online-bezahlangebot zwar existiert, man aber nur durch eigene Recherchen auch wirklich die 'Vorteile' findet. Wenn ich etwas verkaufen möchte, informiere ich lieber umfassend, dass auf einen Klck und Blick der Kunde bescheid weiß.

Und zum online-angebot: subjektiv betrachtet empfinde ich das als unnötig. Ich hatte in der Vergangenheit schon des Öfteren das Gefühl, dass Neuigkeiten und Artikel oder Meldungen zurückgehalten werden und erst nach der Veröffentlichung der Papierausgabe im Netz zu finden sind (entweder das oder der Südkurier ist extrem langsam). Dann kann ich mir den Blick auf suedkurier.de auch gerade sparen.
Stephan hat gesagt…
Hallo Bezim und Oliver,

da hilft ein Blick in die Auflagenstatistik, kostenlos unter www.ivw.de. Die verkaufte Auflage (in meinen Zahlen sind nur Abo+Einzelverkauf berücksichtigt; sonstige Verkäufe und Bordexemplare werden vernachlässigt, da sie nur einen geringen Prozentsatz des Verkaufspreises erzielen) des Südkurier (Mo-Sa) blieb vom 2. Quartal 2011 zum Q2/2013 nahezu stabil (Bundesdurchschnitt allein 2012 zu 2013 ca. minus 4% !), allerdings stieg der Anteil der ePaper an der o.g. verkauften Auflage von 0,27 auf 0,67%. Hier findet also eine Auflagenverschiebung von Print zu ePaper statt. Ob der Verlag mit ePaper mehr oder weniger als mit der gedruckten Zeitung verdient, kann nur eine Vollkostenrechnung oder ein Blick in die Bilanz zeigen. Man müsste dazu auch sehen, wie sich die Abo- und EV-Preise entwickelt haben, denn viele Verlage kompensieren Auflagenverluste (noch) mit steigenden Bezugspreisen. Auf der anderen Seite drücken die Anzeigenkunden natürlich auf den Preis, sobald die gedruckte Auflage zurückgeht. Insgesamt ist die Entwicklung also gar nicht schlecht.
Mehr zur Entwicklung der Zeitungen, ePaper und Apps hier: www.elektrischlesen.de