"Content ist Schwerstarbeit" (Social-Web-Irrtümer 4)


“Ich wüsste gar nicht, worüber ich auf Facebook, Twitter und XING reden sollte. Und wenn, dann hätte ich gar keine Zeit, mich damit abzumühen. Texte schreiben fällt mir schwer. Bloggen geht also gar nicht."

Gut, hier haben wir gleich drei Einwände gegen das Kommunizieren Social im Web in einen gegossen:

Das WAS, das WIE und das WANN.

Nun haben es Irrtümer natürlich an sich, dass sie größer werden, wenn man sie nur lange genug anstarrt. Schauen wir trotzdem mal genauer.

WANN: Beginnen wir mit der Zeit

Gelegentlich leisten Social-Web-Enthusiasten der Zeitfrage ihren ganz eigenen Bärendienst, wenn sie erklären, wie sie stundenlang Blogartikel verfassen, optimieren und promoten (wenn der Stundensatz niedrig ist, muss man den ja irgendwie fixen) oder andere erläutern, wie viele Kameras, Lampen, Reflektoren, Greenscreens, Mikrofone und Mischpulte es für so ein am Schreibtisch aufgenommenes Youtube-Video braucht. Und das Monitoring erst... oh weh!

Es ist auch unbenommen: Professionelle Arbeit braucht Zeit. Aber so, wie wir nicht jedes Gespräch anhand eines Gesprächsleitfadens abwickeln und es im Nachhinein nicht einer Videoanalyse unterziehen, so ist es durchaus möglich, dein Einstieg in das Social Web in weniger als acht Stunden am Tag zu leisten.

Etwas intelligenteres (vielleicht gar zum Produkt, den Interessen der Nutzer, deren Fragen) als Fragen bei Facebook zu stellen als: "Trinkt ihr auch Kerne Kaffee? Dann drückt 'Like' wenn ja, 'Share' wenn es Latte Macchiato ist, und kommentiert, wenn lieber Rooibuschtee." Ja, das braucht nicht wirklich viel Zeit – woher die intelligentere Frage kommt, das besprechen wir gleich.

Entscheidend für den Zeitfaktor sind natürlich schlanke (oder: keine) Freigabeprozesse im Unternehmen. Vier Augen sind gut wegen der Tippfehler, aber ansonsten...

TEXTE schreiben ist schwer.

Es müssen ja nicht zwingend Texte sein. Und wenn es Inhalte sind, keine eigenen.

Findet man zum eigenen Thema ein fremdes Video, dann kann man das durchaus teilen, ohne gleich einen riesen Text dranzuhängen. Denn die meisten Blogartikel ziehen Suchmaschinenbesucher ohnehin zu einem Überschriften-Stichwort an. Drei Sätze werden online zudem auch eher gelesen als 30 oder 300. Relevanter ist, ob der Inhalt informativ oder unterhaltsam für die Zielgruppe ist.

Auch eine kurze Umfrage – man baut eine mit Twtpoll – ist in der Regel keine Arbeit von halben Tagen und kann zudem Erkenntnisse über Kundenwünsche bringen, die als Marktforschungsprojekt nicht nur vierstellig gekostet hätten.

Statt eines Videos tut es auch eine fremde Slideshare-Präsentation, die man mit Kurzzusammenfassung, Bewertung oder Fragen garnieren kann. Eventuell sogar mit allen dreien.

Schreiben, das schwer fällt – ja, das gibt es. Überraschenderweise macht auch hier Übung den Meister und wenn man sich zuerst ein etwas größeres Pensum vornimmt, dann fließen die Texte irgendwann wesentlich lockerer aus den Handgelenken auf die Tastatur. Vor allem, wenn man sich einen Reihentitel ausdenkt (Ja: Sie baden gerade Ihre Hände darin), hat man ein Raster, an dem sich neue Artikelideen leichter herauskristallisieren.Natürlich sollte man nicht seine ganze Kommunikation aus Fremdinhalten zusammensetzen. Genau so falsch wäre es aber, nur den eigenen Bauchnabel als Themengeber zu akzeptieren. Niemand mag den Typen, der auf der Party nur über das eigene Haus, Auto, Urlaub redet.

Ach ja, die Blogartikel, die ich so sehe, sind oft eher zu lang für die Online-Lektüre als zu kurz für eine Wirksamkeit.

WAS: Eigene Inhalte

Ja, an denen mangelt es. Eher aus Betriebsblindheit denn aus echter Leere.

Es gibt im Wesentlichen drei Arten von Arbeit: Herstellen, Transport und Wissensarbeit.

Inzwischen leisten rund 70% aller Leute Wissensarbeit. Sie verarbeiten Informationen, nehmen sie auf, formen sie um und geben sie wieder ab. Überraschenderweise ist das oft die Art von Information, die einen Kunden durchaus interessieren würde. Einen Produkt-Fan sowieso. Manchmal stammt die generierte Information sogar aus der Frage eines Kunden. Warum sollte man sie dann nicht auch allen anderen Interessierten zur Verfügung stellen? Die eigentliche Arbeit ist schließlich schon gemacht, sie zu publizieren ist nur eine Frage von Sekunden oder Minuten. Das reicht locker, wenn wir einen Workflow parat haben.

Die Blindheit gegenüber Content kommt daher, dass dem Antwortenden die Frage banal erscheint und dass er deshalb der Antwort keinen Wert beimisst. Für den Fragenden ist die Antwort aber eminent wertvoll, da sie ihm seine Kaufentscheidung (oder Nicht- oder Anders-Kaufentscheidung) erleichtert. Einer meiner Lehrer sagte: "Stellen Sie ruhig Fragen, zwei Dritteln der anderen sind Ihnen dankbar, weil sie dieselbe Frage hatten." Jede "recycelte" Antwort erreicht also x mal mehr Personen als den Frager. Mal hunderte, mal tausende. Mal mehr. Sie unter Verschluss zu halten, ist: Betriebsvermögen zu vernichten.

Nehmen Sie also Ihre Themen ganz einfach aus ihrer täglichen (Wissens-)Arbeit. Knappe Erklärungen, kurze Definitionen, Antworten auf scheinbar dumme Fragen sind hochinformativ für die, die sich für Ihre Produkte, Marke, Firma interessieren. Due Antworten sind dann da und sie zeigen Kompetenz – oder sparen Arbeit, wenn man einfach darauf verweisen kann. (Raten Sie EIN Mal, warum ich diese Artikereihe schreibe?)

Betriebsgeheinmisse kommen dabei an sich ohnehin nicht auf den Tisch, denn in solchen Fällen sind Fragen und Lösungen viel zu spezifisch. Seine Arbeit aber transparenter zu machen ist ein wertvoller Asset im Portfolio, wenn man seine Kompetenz nicht nur behaupten, sondern belegen will.

Ja, natürlich, man kann sich auch eine Woche für einen super Artikel nehmen. Man kann ihn recherchieren und bebildern. Man kann tagelang einen Redaktionsplan diskutieren und in Workshops mit 20 Personen die Schlüsselthemen der Firma extrahieren. Es geht auch mit massiv mehr Aufwand. der ist aber nicht gleichzeitig auch eine Erfolgsgarantie. Gleiches gilt für das aufwendig produzierte Viral oder die hip designte Microsite.

Es braucht also lediglich einen Blick dafür, welche "Abfallprodukte" (weil sie "abfallen", nicht weil sie etwa schlecht oder überflüssig wären) der Wissensarbeit sich als Content nutzen lassen. Diesen Blick kann man trainieren. Dieser Blick ist es, er Blogger von Normalos unterscheidet: Für Blogger ist die Welt ein Contentpuzzle. Alles kann Inhalt werden.

Bei einer "Lean Content Production" (hat-tip to "Lean Brain Management") ist es relevanter, Themenbereiche breit abzudecken und danach punktuell Themen, auf die die Kunden und "Spreader" einsteigen, zu vertiefen. Meist sind es die nicht erwartbaren Content-Schnipsel, die den Erfolg bringen.

Also: Content ist keine Schwerstarbeit. Blog aufmachen und los.

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